Helmholtz-Zentrum Hereon – Immer mehr Länder treiben den Ausbau von Windparks auf dem Meer voran. Werden diese Offshore-Windparks aber zu dicht nebeneinander errichtet, nehmen sie sich gegenseitig den Wind und damit die Stromausbeute weg. Dass die Verluste erheblich sein können, zeigt eine Studie des Helmholtz-Zentrums Hereon, die jetzt im Fachjournal Nature Scientific Reports erschienen ist.
Der Ausbau der Windenergie in der Deutschen Bucht und der Ostsee hat sich in den vergangenen Jahren enorm beschleunigt. Im Jahr 2008 gingen die ersten Anlagen in Betrieb. Heute drehen sich in den deutschen Gewässern Windräder mit einer Leistung von rund 8000 Megawatt, was etwa acht Atomkraftwerken entspricht. Doch der Platz ist begrenzt. Deswegen werden Windparks zum Teil recht dicht nebeneinander gebaut. Ein Team um Dr. Naveed Akhtar vom Helmholtz-Zentrum Hereon hat herausgefunden, dass sich benachbarte Windparks dadurch mitunter gegenseitig ausbremsen. Strömt Wind durch einen großen Offshore-Park, verlangsamt sich die Luft-Strömung. Wie die Forscherinnen und Forscher jetzt im Fachmagazin Nature Scientific Reports schreiben, wirkt sich diese Bremswirkung erstaunlich großräumig aus. Im Durchschnitt reicht sie 35 bis 40 Kilometer weit – bei bestimmten Wetterlagen sogar bis zu 100 Kilometer. Die Leistung eines benachbarten Windparks kann sich damit um 20 bis 25 Prozent verringern, was letztlich zu wirtschaftlichen Verlusten führt. Werden Windparks dicht nebeneinander geplant, sollte man diese Bremswirkung künftig berücksichtigen.
Kombination von Klima- und Windparkdaten
Für ihre Studie haben Naveed Akhtar, Experte für Regionale Klimamodellierung, und seine Kolleginnen und Kollegen das Computer-Modell COSMO-CLM verwendet, das auch Wetterdienste nutzt und in der Lage ist, die Wettersituation regional detailliert aufzulösen – in diesem Falle für die gesamte Nordsee. Das Modell berechnet, wie sich Wetter und Klima im Laufe der Zeit verhalten und damit auch, wie stark der Wind aus welcher Richtung weht. Naveed Akhtar hat das COSMO-CLM-Modell mit den Daten über die Windparks kombiniert – ihrer Fläche oder auch der Zahl und Größe der Anlagen. Als Grundlage nutzte er die Windparkplanung für die Nordsee aus dem Jahr 2015. Diese enthält Windparks, die zum Teil auch heute noch nicht gebaut worden sind. Sie wirft damit einen Blick in die Zukunft – gewissermaßen auf den Zielzustand des Offshore-Ausbaus.
Bremswirkung bei stabilen Wetterlagen
Anschließend errechnete er mit dem COSMO-Modell für den Zeitraum von 2008 bis 2017 die Bewegung des Windes über der Nordsee. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Bremswirkung der Windparks vor allem bei stabilen Wetterlagen, wenn in der Atmosphäre nur wenige Turbulenzen auftreten, sehr weit reicht. Vor allem im März und April. In stürmischen Zeiten hingegen – besonders im November und Dezember – ist die Atmosphäre so stark durchmischt, dass der Windpark-Effekt kaum ins Gewicht fällt. Um die vom Computer erstellten Modelldaten abzusichern, hat das Team um Naveed Akhtar diese mit realen Windmessungen aus den Jahren 2008 bis 2017 verglichen. Zum einen mit Messungen, die an zwei Forschungsplattformen in der Nordsee aufgezeichnet wurden, zum anderen mit Windmessflügen, die Kolleginnen und Kollegen von der TU Braunschweig über den Windparks durchgeführt haben. Der Vergleich zeigt, dass die Hereon-Forschenden mit ihrer Wind-Modellierung richtigliegen. Das Besondere an der Arbeit ist, dass erstmals für die ganze Nordsee ein voller Zehnjahreszeitraum berechnet wurde. „Herkömmliche Strömungsmodelle für die Analyse von Windparks haben eine sehr hohe räumliche Auflösung, betrachten ein Windfeld aber nur über kurze Zeiträume“, sagt Akhtar. „Zudem lässt sich damit nicht ermitteln, wie ein Windpark die Luftströmung großräumig verändert.“
Während sich die Gruppe in der aktuellen Arbeit vor allem damit befasst hat, wie stark sich die Windparks gegenseitig beeinflussen, will sie in nächster Zeit untersuchen, welchen Einfluss die Bremswirkung auf das Leben im Meer hat. Wind und Wellen durchmischen das Meer. Dadurch verändern sich der Salz- und Sauerstoffgehalt des Wassers, seine Temperatur oder auch die Menge an Nährstoffen in bestimmten Wassertiefen. Naveed Akhtar dazu: „Wir möchten jetzt herausfinden, wie sich die reduzierte Durchmischung auf das Verhalten der Tiere und ihre Vermehrung auswirkt.“