Die Grenzen des Wissens

Die neueste Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Forschung Frankfurt thematisiert das Spannungsfeld von Wissen und Nichtwissen.

FRANKFURT. Das Streben nach Wissen ist eine der Eigenschaften, die den Menschen ausmachen. Doch immer wieder stößt er an die Grenzen des Wissens – auch und gerade in der Wissenschaft. Wie der Mensch damit umgeht, dass sein Wissen begrenzt ist, dass es immer Bereiche geben wird, die im Dunkeln liegen, diese Frage steht im Fokus der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Forschung Frankfurt. Das Schwerpunktthema lautet: „Was können wir wissen?“.

„Und sehe, dass wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen“, lässt Goethe seinen Faust im Studierzimmer sagen. Die Hinwendung zur Schwarzen Magie ist allerdings – zumindest für den modernen westlichen Menschen – kaum eine gangbare Alternative. Die Wissenschaft reagiert auf Nichtwissen traditionell mit dem Streben, dieses Nichtwissen zu reduzieren. Doch, so macht die Soziologin Prof. Claudia Peter in ihrem Beitrag deutlich: Jedes neue Wissen bringt auch neues Nicht-Wissen hervor. Peters begleitet zusammen mit dem Mediziner Rolf Schlößer werdende Eltern, bei deren Kindern eine Fehlbildung diagnostiziert wurde. Die moderne Medizin erhöht die Chance auf das Überleben dieser Kinder – und konfrontiert Eltern und Mediziner zugleich mit Fragen, die sich ihnen bislang nicht gestellt hätten.

Wie gehen Menschen mit Ungewissheit und Nichtwissen um? Das Heft gibt dazu sehr unterschiedliche Antworten, abhängig von der Disziplin, die das Thema bearbeitet. Aufgenommen sind Beiträge aus der Mathematik, der Physik, der Informatik, aber auch aus Politologie, Ethnologie, Philologie, Archäologie, Ökonomie und Theologie.

Hier einige Highlights aus der aktuellen Ausgabe:

– „Wer Ungewissheit beseitigen will, züchtet nur Sorgen“: Unter diesem Titel erläutert Ulrich Stangier, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie, welche Strategien Menschen entwickeln, um die „Sorgenkrankheit“ zu bewältigen. Sorge und Angst gehören zum menschlichen Leben. Doch wenn das Gedankenkarussell nicht aufhört zu kreisen und scheinbar grundlose Ängste uns einengen, ist es Zeit zu handeln. Die Psychotherapie bietet hierzu ein bewährtes Instrumentarium.

– Bakterien haben ein beeindruckendes Repertoire zur Verfügung, um mit schwierigen und ungewissen Lebenssituationen fertig zu werden. Wie Jörg Soppa, Professor für Biologie und Genetik von Prokaryonten, in seinem Beitrag deutlich macht, besteht ihre Strategie aus „Fasten und Feiern“. Innerhalb von Minuten können Bakterien von einem schwelgerischen Lebensstil zur Askese übergehen – notfalls auch Jahrzehnte auf bessere Zeiten warten.

– Unvorhersehbar sind die (Neben)Wirkungen, die aus der Anwendung der Genschere CRISPR/Cas erwachsen können. Einerseits werden in die Gentherapie große Hoffnungen gesetzt. Andererseits wächst die Angst vor Missbrauch. Hier ist eine breite ethische und politische Diskussion gefragt, so das Resümee unseres freien Autors, des Wissenschaftsjournalisten Joachim Pietzsch. Die aktuelle Debatte um die angeblich erste Genmanipulation bei menschlichen Embryonen in China gibt ihm Recht.

– Die moderne Wissenschaft wird oft mit Faktenwissen gleichgesetzt. Doch ohne das Nachdenken über die Welt, wie es in den Geisteswissenschaften stattfindet, ist Wissenschaft nicht denkbar. Eine religionsphilosophische Verortung von Wissen, Meinen und Glauben nimmt Prof. Thomas M. Schmidt vor – und macht deutlich: Glaube ist alles andere als „alternative Fakten“.

– Immer zuverlässiger sind in den vergangenen Jahren die Vorhersagen von Klimamodellen geworden. Doch werden wir selbst mit noch leistungsfähigeren Computern nie in der Lage sein, das Wetter und das Klima auf einer Nanoskala vorherzusagen, erläutert der Atmosphärenforscher Prof. Ulrich Achatz in seinem Beitrag. Der verbleibende Grad an Unsicherheit ist für ihn eine der zentralen wissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

– Unsicherheit und Ungewissheit auf ganz anderem Gebiet nimmt der Linguist Dr. Dr. Thomas Strobel in den Fokus. Fast jeder grübelt zuweilen: Heißt es „er buk“ oder „er backte“, „den Pilot“ oder „den Piloten“? Gerade wer bewusst mit Sprache umgeht, stößt immer wieder auf solche grammatikalischen Zweifelsfragen. Kein Grund zum Verzweifeln – sondern ein Weg zum tieferen Verständnis, wie Sprache funktioniert.

– Dass das Nichtwissen um die Zukunft und um die tatsächlichen Gefahren der Gegenwart Unsicherheit hervorruft, liegt auf der Hand. Wie dieses Gefühl instrumentalisiert werden kann, das zeigt aktuell der derzeitige US-Präsident. Aber auch die Europäische Union und China setzten in der Vergangenheit immer wieder auf die Erzählung von Unsicherheit und Ungewissheit, um bestimmte Ziele zu erreichen, wie das Autorenduo der Professoren Iwo Amelung (Sinologie) und Christoph Cornelißen (Neuere Geschichte) berichtet.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2018) kann kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de. Im Internet ist sie zu finden unter: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de.

Pressemitteilung:
Dr. Anke Sauter Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

Dieser Beitrag wurde unter Mediathek veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert